Das Unterschätze Potential im Business?

Das Selbstverständnis von Führungskräften und Managern hat sich gewandelt: Manager mit Personal- und Führungsverantwortung sind schon lange nicht mehr nur Chefs. Sie sind Kommunikatoren, Motivatoren, Begleiter, Kritiker, Vorbilder und Impulsgeber. Sie führen, fordern und fördern. Den „großen Zampano“ heraushängen zu lassen, kommt kaum noch an. Authentizität löst Autorität als Zeichen von Führungsstärke immer mehr ab.

Auch in den Familien hat sich das Blatt gewendet: Elternteile mit Erziehungsverantwortung sind schon lange nicht mehr nur Familienoberhäupter. Sie übernehmen in der Erziehung ihrer Kinder ähnliche Aufgaben wie die oben genannten. Hierarchie-Gehabe ist out. Verlässliches Da-Sein läuft deterministischem Da-Hin zunehmend den Rang ab.

Bei näherer Betrachtung beider Themenkreise sind konkrete Verknüpfungen zwischen Management und Erziehung – Chef sein und Eltern sein erkennbar. Mehr noch: Ein Transfer gelebter Führungskompetenzen macht sogar Sinn, denn aufgrund der erheblichen Synergie-Effekte warten zahlreiche ungenutzte Führungspotentiale geradezu darauf, gehoben und im jeweils anderen Bereich erfolgreich eingesetzt zu werden.

Welche Verhaltensweise im Umgang mit ihren Kindern können Eltern als Führungskräfte auf den Umgang mit ihren Mitarbeitern im Unternehmen übertragen? Beispielhaft einige Situationen:

1. Regeln:

„Pünktlichkeit ist eine Zier…“. Leben und Geben Sie die Spielregeln / Leitsätze vor.

Der Vater bringt seinen Sohn Matthes gemäß Stundenplan jeden Tag pünktlich zur Schule und holt ihn jeden Tag ebenso pünktlich wieder ab. Der Vater realisiert: Anhand dieser Verlässlichkeit erlebt mein Kind, wie gut organisiert, reibungslos und wenig konfliktbeladen sein Alltag funktioniert. In unserer Familie gilt „Pünktlichkeit“ als eine der wichtigen Spielregeln. Jedes Familienmitglied kann sich auf das andere verlassen. Im Ausnahmefall wird eventuelle Unpünktlichkeit begründet kommuniziert.

Als Chef kommt der Vater pünktlich zu Meetings, Mitarbeitergesprächen, am Tagesbeginn etc. Er ist Vorbild, gibt Beispiel. Pünktlichkeit ist eine im Unternehmen allgemeingültige Tugend. Sowohl intern (unter den Mitarbeitern) als auch extern (mit Kunden, Lieferanten, Anwohnern – stakeholdern) repräsentiert dieser Aspekt Zuverlässigkeit, erzeugt Vertrauen und ist demzufolge ein wichtiger unternehmerischer Erfolgspunkt, eine „gelebte Visitenkarte“.

Einsicht: Jeden Tag „übt“ der Chef als Vater sein Verhalten / praktiziert diese „Tugend“ im Zusammensein mit seinem Sohn.

2. Sicherheit geben:

Helfen Sie Ihrem Mitarbeiter seine Ängste, Befürchtungen zu überwinden.

Die Mutter begleitet ihre Tochter zum Schwimmkurs seit diese ein Baby ist. Sie hält sie sicher im Wortsinn. Mit jedem weiteren Kurs lernt die Tochter, sich ein Stück mehr ohne die Mutter im Wasser zu bewegen. Hilfsmittel wie Schwimmflügel, Brett oder Nudel sind erlaubt und sinnvoll. Die Tochter erlebt den Lernprozess als manchmal mühsam, jedoch immer wieder auch spaßig. Die Mutter reflektiert ihr und Paulas Verhalten. Sie bemerkt: Auf Grund der Ängste von Paula bleibt sie in deren greifbarer Nähe des Kindes. Das Kind sieht seine Mutter in Reichweite und kann sich folglich vertrauensvoll auf den nächsten Lernschritt, wie zum Beispiel „Vom-Rand-Springen“ einlassen.

Als Chefin weiß die Mutter: Insbesondere in ungewissen Phasen wie neuen Projekten, neuen Teams, Generationenwechsel oder Fusionen, Merger-Situationen ist die Sicherheit für die Mitarbeiter ein tragendes Gefühl. Als Chefin kommuniziert sie die jeweils neue Lage mit der angemessenen Offenheit. In der Belegschaft wird über Spekulationen, Befürchtungen, Ängste gesprochen. Die (im Rahmen der Möglichkeiten) offene Kommunikation der Chefin mindert die Ängste etc., gibt Zuversicht, Vertrauen. Die Informationen ebnen dem Commitment der Mitarbeiter den Weg. Die Chefin vermittelt, dass die Mitarbeiter ihrer Führung vertrauen können. Ihre Offenheit und Verlässlichkeit ist ein wichtiger Träger der inneren Stabilität des Unternehmens. Diese Stabilität trägt die Firma durch instabile Zeiten.

Einsicht: Als Mutter weiß die Chefin, dass ihre innere und nach Außen getragene Balance das Kind Geborgenheit im Wortsinn erfahren lässt. Es kann somit wachsen und gedeihen.

3. Ordnung / Chaos:

Überprüfen Sie Ihre Einstellungen dem Mitarbeiter gegenüber.

Der Vater kommt ins Kinderzimmer. Er sieht „Chaos“. Überall Plüschtiere, Spielsachen. Er hält einen Augenblick inne und reflektiert, dass das seine Sicht der Dinge ist – Erwachsenensicht. Vielleicht hat das für seine Tochter Lilly eine Ordnung. Sie erzählt doch immer von Barbie-Schlössern, Dino-Höhlen und so weiter. Der Vater erinnert sich, dass er, als er klein war, auch immer kuschelige Ecken geliebt hat – mit Decken und Kleidungsstücken. Darin hat mit seinen Freunden „Hütten auf einsamen Inseln“ gespielt. Er sucht das Gespräch mit seiner Tochter. Der Vater setzt beim Blick auf das vermeintliche Chaos seine „konstruktive Brille“ auf. Mit den Augen des Kindes sieht manches im Alltag anders aus. Empathie führt ihn – eventuell ergänzt durch ein Gespräch mit seinem Kind – zu Verständnis. Der Vater erklärt Lilly, dass er verstehe, dass sie ihr Zimmer so klasse finde. Dass Erwachsene jedoch ein anderes Verständnis von Ordnung hätten. Das könne sie zu Hause sehen.

Im Unternehmen versucht er ebenso den Perspektivenwechsel. Das bedeutet, er bemüht sich, die Dinge „mit den Augen des Mitarbeiters“ zu sehen, sich in dessen Standpunkt hineinzuversetzen. Die Führungskraft sieht den Schreibtisch seines Mitarbeiters: Es herrscht „die totale Unordnung“. Empathisch versucht er, sich in seinen Mitarbeiter hineinzuversetzen: Ordnung im Chaos. Eventuell braucht Herr Meier dieses Umfeld. Es ist „seine Ordnung“. Er macht seine Arbeit prima, hat keinen Kundenverkehr, den das „Chaos“ befremden könnte. Also, was soll s. Sein Schreibtisch. Seine Sache. Am Anfang der konstruktiven Einstellung des Chefs steht sein innerer Dialog. Er versucht, sich von negativen Einflüssen abzuwenden und seine Gedanken vom Hinderlichen zum Förderlichen zu wenden. Das Unternehmen profitiert, denn Mitarbeiter, die sich von ihrem Chef „als Mensch wahr genommen“ und damit „ernst genommen“ und respektiert fühlen, sind loyaler und produktiver.

Einsicht: Als Vater bekommt die Führungskraft täglich von seiner Tochter gespiegelt, wie sinnvoll und zielführend es ist, zu versuchen, sich in den anderen hineinzuversetzen und „die Dinge mit dessen Augen zu sehen“. Wenn die Tochter sich vom Vater verstanden fühlt, ist sie eher zu Zugeständnissen und Kompromissen bereit.

Management booklet

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„Family Business – Das Praxis Booklet für wertvolles Führen und Erziehen“

Veröffentlicht in: The Huffington Post