Gute Kommunikation in der Familie und im Unternehmen

Führungskräfte sind mehr als „nur“ Chefs. Eltern mehr als „nur“ Familienoberhäupter. Welche Synergieeffekte es im Bereich Kommunikation gibt, weiß Stephanie Robben-Beyer.

Das Selbstverständnis von Führungskräften hat sich gewandelt: Manager mit Personal- und Führungsverantwortung sind schon lange nicht mehr nur Chefs. Sie sind Kommunikatoren, Motivatoren, Begleiter, Kritiker, Vorbilder, Impulsgeber, aber auch „Brötchengeber“ und vieles mehr. Ihre Aufgabe ist es zu führen, zu fordern und zu fördern. Ebenso verändert hat sich das Fremd- und Selbstbild von Erziehungsberechtigten: Eltern sind schon lange nicht mehr nur Familienoberhäupter. Sie sind Kommunikatoren, Motivatoren, Begleiter, Kritiker, Vorbilder, Impulsgeber, aber auch „Brötchenschmierer“ und vieles mehr. Ihre Aufgabe ist es zu führen, zu fordern und zu fördern. Ein Transfer der gelebten Führungskompetenzen aus dem Familienleben in den geschäftlichen Lebensbereich ist daher eine logische Konsequenz. Denn aufgrund der Synergie-Effekte warten zahlreiche zum Teil ungenutzte Fähigkeitspotenziale geradezu darauf, gehoben und auch im jeweils anderen Bereich erfolgreich eingesetzt zu werden.

Gute Kommunikation in der Familie und im Unternehmen
Einen besonders großen Synergie-Effekt gibt es im Bereich der Kommunikation. Beide Lebenswelten unterliegen einem ständigen Wandlungsprozess. Damit einher geht eine Veränderung der jeweiligen „Organisation“ – sei es die Familie oder das Unternehmen. Kinder kommen in die Pubertät, Eltern in die Wechseljahre, Partner trennen sich, die Familie zieht um, Geschwisterkinder werden geboren oder ziehen aus. Die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Wandel in Unternehmen vollziehen sich, wenn neue Märkte erschlossen, Abteilungen zusammengelegt, Mitarbeiter eingestellt werden oder gehen. Und auch diese Liste ist beliebig lang.

In Umbruchzeiten trägt eine belastbare, konstruktive Kommunikationskultur zur Festigung der zwischenmenschlichen Beziehungen bei und gibt Halt. Organisationen, in denen kontinuierlich effektiv und produktiv miteinander kommuniziert wird, sind stabiler, effektiver und verlässlicher. Eine positive, intern etablierte Gesprächskultur bleibt, auch wenn die äußeren Umstände sich ändern. Im familiären Alltagsstress wie im hektischen Arbeitsalltag sind dies extrem wertvolle und wohltuende Faktoren.

Das Reden
Häufig verursachen Missverständnisse Ärger, Verzögerungen und auch Stress. Eine „gute“ Kommunikation hingegen ermöglicht es, im persönlichen und beruflichen Umfeld so miteinander umzugehen, dass Vertrauen und Motivation entstehen kann. Achtsamkeit bei der Wortwahl und friedvolle, konstruktive Formulierungen zahlen sich besonders aus. So bedeutet „Change Talk“ unter anderem eine motivierende Gesprächsführung, die etwa mit bewusst gewählter Sprache eine gute Atmosphäre herbeiführt und steuert. Denn bei einem Dialog geht es nicht nur um den sachlichen Inhalt, sondern maßgeblich auch um den Beziehungsaspekt.

Probieren Sie es aus: „Herbst, Nässe, Laub, Nebel, durchdringende Feuchtigkeit“ sind bei Vielen gedanklich ähnlich negativ besetzt wie „Mehrarbeit, Mühe, Anstrengung, Undank“. „Frühling, Blumen, Duft, leichte Brise“ hingegen assoziieren viele ähnlich positiv wie Aufschwung, Freude am Tun, Weiterentwicklung, positive Resonanz“. Ein „Das geht nicht! oder ein „Gibt‘s bei uns nicht!“ löst eher negative Emotionen aus als ein geneigtes „Ich versuche, eine Lösung zu finden!“, oder ein „Ich frage gerne nach.“

Das Zuhören
Insbesondere Kinder sind sehr feinfühlig, was die Kommunikation mit ihren Eltern anbelangt. Sie verstehen deren Körpersprache intuitiv, hören sehr genau zu und erwarten präzise Formulierungen. Sie spüren, ob Eltern ihnen zuhören und Interesse für sie zeigen. Nicht anders verhält es sich bei einem Mitarbeiter, der sehr sensibel darauf reagiert, wie viel Aufmerksamkeit ihm zu Teil wird. Jedes kommunikative Verhalten wird von unserem Gegenüber interpretiert. Bewusst und/oder unbewusst.

Die Kunst des Zuhörens besteht darin, ihrem Gesprächspartner das Gefühl zu geben, dass er „Der Mittelpunkt der Welt“ sei:

  • Hören Sie genau zu!
  • Unterbrechen Sie Ihren Gesprächspartner nicht!
  • Führen Sie die Sätze Ihres Gesprächspartners nicht zu Ende – weil Sie denken, Sie wüssten bereits, was er sagen möchte.
  • Sagen Sie nicht: Das weiß ich längst!“
  • „Nein“, „Aber“ und „Leider“ sind überflüssig.
  • Lassen Sie sich nicht ablenken, wenn ihr Gesprächspartner zu Ihnen spricht – wahren Sie Blickkontakt.
  • Halten Sie Ihren Part im Dialog aufrecht, indem Sie angemessene Fragen stellen. Diese zeigen, dass Sie ein aufmerksamer Zuhörer sind.
  • Vermeiden Sie Überheblichkeit und Besserwisserei. Ihr Ziel ist es, zu vermitteln, dass Ihr Gegenüber „der Held“ ist.

Die Ich-Botschaft
Die Ich-Botschaft ist ein hervorragendes Mittel, um einen konstruktiven Dialog zu führen. Mit dem Satzanfang „Ich …“ können Sie ihre Wahrnehmung, ihre Ein-, und Vorstellung sowie ihre Erwartungen und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Gerade in Konfliktsituationen wird so durch Ihre bewusste Wortwahl Raum für konstruktive Lösungen geschaffen.

Probieren Sie es aus: Wie wirkt auf Sie ein „Du machst das immer“ im Vergleich zu einem „Ich habe den Eindruck, dass…“?

Bleiben Sie während des Gesprächs in Ihrer eigenen Wirklichkeit und drücken Sie dies beschreibend aus. Dadurch bekommt Ihr Gesprächspartner einen Eindruck in Ihre Gedankenwelt, kann Ihre Aussage besser nachvollziehen und einordnen, fühlt sich persönlich weniger oder im Idealfall nicht angegriffen.

Beispiele: „Mich ärgert es, wenn du die Tür zuschlägst.“ anstatt „Immer musst du die Türen knallen.“

„Der Input aus Ihrer Abteilung ist für mich extrem wichtig“ anstatt „Sie sollen endlich liefern.“

Wenn Sie sich selbst bewusst reflektieren, werden Sie feststellen, wir viele Gemeinsamkeiten Ihr Kommunizieren als Eltern mit Ihrem Kommunizieren als Führungskraft hat. Entdecken Sie Ihr Potenzial und nutzen Sie es gewinnbringend für beide Lebensbereiche.

Drei konkrete Beispiele

Das Reden / Positive Sprache – Wortwahl
Die pubertierende Tochter hat in der Schule Auseinandersetzungen mit ihren Freundinnen. Die Mädchen streiten über Mode, Jungs und Sport. Die Mutter beobachtet die Tochter und sagt ihr, dass sie den Eindruck habe, die Tochter sei bedrückt und belastet. Die Tochter öffnet sich und erzählt von den Streits. Im Dialog verwendet die Mutter Worte wie Differenzen, Meinungsverschiedenheiten, Sich-Austauschen, Die Sichtweise des Anderen einnehmen, Aufeinander Zugehen, eine gemeinsame Lösung finden, Sich-Wieder-Annähern, die Krise als Chance nutzen. Sie vermeidet bewusst negative Worte, um die Thematik zu entschärfen.

Im Unternehmen kommen zwei Mitarbeiterinnen zur Chefin, die seit längerer Zeit immer wieder Auseinandersetzungen – oft über Kleinigkeiten – miteinander haben. Die Chefin lässt beide ihre Sicht der Dinge vortragen. Dann versucht sie im Dreier-Gespräch mit positiven Worten (siehe bitte oben) das Verständnis füreinander zu fördern.

Erkenntnis: Bestehende Konflikte verschärfen sich mit einer negativen Wortwahl wie Streit, Konflikt, Parteien, Problem. Verhärten sich mit Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen wie „immer“, „sowieso“ etc. Mit positiven Formulierungen kann ein Gespräch konstruktiv geführt werden. Worte, die einen Lösungsweg assoziieren – „Sicht der Dinge“, „so interpretiert“, „Gefühle“, „ein Kompromiss“, „ein Versuch“, „ein gemeinsamer Weg“, „daraus lernen“ u. a. ermöglichen einen Neustart in die gemeinsame Zukunft. Die streitenden Personen sehen so die Möglichkeiten des Miteinanders und fokussieren sich auf einen möglichen „Mittelweg“.

Aktives Zuhören
Der Sohn hat während des Trainings eine Auseinandersetzung mit seinem Sport-Trainer gehabt. Beide sind laut und ungehalten geworden. Die Mutter sitzt am Abend mit ihrem Sohn in seinem Zimmer und fragt ihn, ob er ihr seine Sicht der Dinge schildern mag. Sie hört ihm aufmerksam zu. Sie schaut ihren Sohn an, unterbricht ihn nicht. Sie lässt ihn ausreden. Der Sohn bemerkt während des Gesprächs, dass sie eine „klasse Zuhörerin“ sei. Sie schaffe es, dass er ganz „bei sich“ sei. Sie gebe ihm das Gefühl, dass er und seine Belange enorm wichtig seien.

Als Chefin hört die Mutter, wie sich ein Mitarbeiter am Telephon laut mit einem Lieferanten auseinandersetzt. Sie bittet den Mitarbeiter zu einem Gespräch in dieser Thematik. Der Mitarbeiter kann der Chefin in Ruhe die Situation aus seiner Sicht schildern. Die Chefin konzentriert sich komplett auf den Mitarbeiter. Das Telephon ist auf die Assistentin umgeleitet. Störungen möglichst tabu.

Erkenntnis: Sowohl als Mutter als auch als Chefin konzentriert sie sich komplett auf ihren Gesprächspartner. Sie hört in Ruhe zu und unterbricht nicht. Sie fragt nach, um eventuelle Unklarheiten zu beseitigen. Sie fasst die Aussagen zusammen, um sicher zu gehen, dass sie als adäquater Dialog-Partner alles korrekt verstanden, respektive interpretiert hat. Wirkliches „Aktives Zuhören“ gibt dem Gesprächs-Partner das Gefühl, „der Mittelpunkt der Welt zu sein“.

Ich-Botschaft
Der Vater ärgert sich darüber, dass die Tochter, wenn sie am Abend heimkommt, ihre Sachen stets im Haus verstreut – Jacke, Tasche, Schuhe u. a. Er bittet sie: „Lina, ich ärgere mich über dein Verhalten. Ich mag es nicht, dass du abends, wenn du nach Hause kommst, immer all deine Dinge im Haus verteilst. Ich kann den Weg zu deinem Zimmer finden, wenn ich deinen Sachen nachgehe. Wir bemühen uns alle in der Familie um Ordnung. Ich bitte dich, das auch in Zukunft wieder mehr zu berücksichtigen und zu leben.“

Als Chef beobachtet der Vater, dass ein Mitarbeiter seinen Firmenwagen, der ein Logo des Unternehmens führt, nicht pflegt. Er bittet den Unternehmensangehörigen zu sich zum Gespräch. „Herr F., ich bemerke seit einigen Tagen, dass Ihr Wagen äußerst verschmutzt ist. Beim Blick in den Innenraum zeigt sich mir ebenso ein ungepflegtes Bild. Alte Flaschen, Keksreste und anderes. Das stört mich sehr. Die Firmenwagen sind eine Visitenkarte unseres Unternehmens. (Potentielle) Kunden, Lieferanten etc. schließen von der Sauberkeit der Firmen-Autos auf unsere Arbeit. Ich bitte Sie herzlich, dass Sie – gemäß unserer Vereinbarungen – Ihren Wagen in Zukunft wieder tiptop aussehen lassen. Kann ich mich auf Sie verlassen?“

Erkenntnis: Insbesondere in Kritikgesprächen nimmt die Ich-Botschaft der Aussage die emotionale Schärfe. Der Kritiker schildert die Situation aus seiner Sicht. Er kritisiert ein Verhalten, eine Situation – niemals die kritisierte Person als solches. Die Ich-Botschaft ermöglicht einen Abgleich der Betrachtungsweisen, lässt den Kritisierten sein „Gesicht“ als Mensch wahren.

Veröffentlicht in: lob Magazin ( https://www.lob-magazin.de/beruf/karriere/575-was-die-familie-fuer-den-job-lehrt )