Nutze die gleichen Kompetenzen

Kaum eine Eigenschaft ist von mehr Faszination umgeben wie die Fähigkeit zum Führen.
Rein abstraktes Wissen hilft jedoch nicht, eine gute Führungskraft zu sein. Als Elternteil hast du bereits die wesentlichen Ressourcen dafür. Wichtig ist, dass du bewusst diese Stärken erkennst und sie in dein Unternehmen einbringst.

Die Aufgaben von Führungskräften sind äußerst komplex. Sie managen, organisieren, strukturieren, delegieren.
Sie sind Vorbild, geben Regeln vor. Sie sanktionieren. Sie sind Unterstützer, Förderer, Kritiker. Sie handeln flexibel und situationsbezogen. Diese Kompetenzen sind auch von Eltern gefordert.

Daher: Beobachte dich selbst in deinem Denken, Fühlen, Reden und Handeln als Eltern. Eruiere das Essenzielle und transferiere es in deine Führung im Unternehmen. Im folgenden ein paar Beispiele, wie du konkret Transfer leben kannst.

1: Fürsorge geben
Der kleine Sohn wird eingeschult. Der Vater spürt dessen Ängste, Unsicherheiten, Vorbehalte. Er nimmt sich Zeit, um mit seinem Sohn über diesen neuen Lebensabschnitt zu sprechen. Eventuell erzählt er ihm von den Erlebnissen und Erfahrungen während seiner Einschulungszeit vor vielen Jahren. Wenn er sich an seine Gefühle damals erinnern kann, teilt er sie dem Kleinen mit. Ein fruchtbarer Austausch über Nöte, Emotionen und vieles mehr entsteht.

Im Unternehmen begleitet der Vater als Chef einen Mitarbeiter bei einer neuen Aufgabe, einem neuen Projekt. Er spricht mit dem Mitarbeiter über die Fakten ebenso wie über die das Thema begleitenden Emotionen: Der Mitarbeiter ist unsicher, er hat Ängste, traut sich selbst weniger zu als der Chef ihm zutraut.

Erkenntnis: Führen heißt auch, Verantwortung zu habenund Fürsorge zu geben. Der Vater weiß auch als Chef: Insbesondere in „speziellen Lebens- und Karriereabschnitten“ sind aktives Zuhören und Fürsorge wichtig. Sowohl in der Familie, als auch im Unternehmen gilt: Wer seine Mitmenschen nicht kennt, kann sie nicht führen. Wer sie jedoch beobachtet, sich mit ihnen auseinander setzt, kann sie „dort abholen, wo sie sich gerade befinden“. Er kann mit seinem verlässlichen „Da-Sein“ Sicherheit und Geborgenheit geben.

» Wer seine Mitmenschen nicht kennt, kann sie nicht führen.«

  1. Flexibilität
    Die pubertierende Tochter möchte abends länger wegbleiben und bei ihrer Freundin übernachten. Der Vater erlaubt der Tochter diese Ausnahmeregelung, da es deren großer Wunsch ist, auf ein besonderes Pop-Konzert zu gehen. Sie vereinbaren, dass die Tochter ihrem Vater bei der Ankunft im Zuhause der Freundin eine Kurznachricht sendet.

Im Unternehmen spricht der Vater als Führungskraft mit einer kompetenten Mitarbeiterin, die aus plausiblen Gründen zweimal in der Woche in ihrem Homeoffice arbeiten möchte. Er prüft, ob die Bedingungen im Team/Unternehmen dafür vorhanden sind, und segnet den Wunsch zunächst für einen Probezeitraum ab.

Erkenntnis: Manchmal ist es sinnvoll und zielführend, weil motivierend, flexibel zu handeln und auch Ausnahmen zu machen. Ausnahmen bestätigen manchmal die Regel, wenn sie Kindern/Mitarbeitern zeigen, dass man empathisch agiert. Mitarbeiter werden erfolgreicher, wenn sie (Eigen-)Verantwortung übertragen bekommen. Und: Nur aus der Selbst-Verpflichtung des Mitarbeiters kann eine Verpflichtung dem Chef gegenüber wachsen.

  1. Feedback geben & kritisieren
    Die kleine Tochter bekommt jeden Tag eine frisch zubereitete Pausenmahlzeit und eine Flasche Apfelschorle mit zur Schule. An einem Nachmittag entdeckt die Mutter, dass die Flasche ausgelaufen und der Ranzen durchnässt ist. Die Tochter hatte nicht aufgepasst und die Flasche nicht richtig verschlossen. Die Mutter tadelt ihre Tochter für ihre Unaufmerksamkeit und bittet sie, in der Zukunft immer achtsam daran zu denken.

Im Unternehmen sieht die Mutter als Chefin, wie eine Mitarbeiterin die Gemeinschaftsküche der Abteilung am Ende ihrer Arbeitszeit unordentlich und nicht gesäubert zurücklässt. Sie spricht bei nächster Gelegenheit mit der Mitarbeiterin unter vier Augen darüber. Die Chefin kritisiert den Zustand der Küche, räumt der Mitarbeiterin aber ihr Verständnis für den Ausnahmezustand ein, den ihr die Mitarbeiterin beschrieben hat.

Erkenntnis: Sowohl in der Familie als auch im Unternehmen bemüht sich die Mutter/Chefin, nie im Zorn zu kritisieren. Sie erfragt die Situation aus Sicht der beteiligten Person. Dann kritisiert sie klärend und helfend, damit das Kind/der Mitarbeiter seine Leistungsoder Verhaltensschwäche überwinden kann. Sie weiß: Wirksamkeit von Kritik lebt vom richtigen Gebrauch. Ein Tadelgespräch gehört unter vier Augen, die kritisierte Person darf nie bloß gestellt werden. Tadel darf nie Drohung sein. Der Dialog muss respektvoll sein. Die Chefin orientiert sich an Konkretem, an Beweisbarem. Sie kritisiert mangelhafte Leistung oder mangelhaftes Verhalten, nie die Person als solche.

Fazit: Bewusstsein schaffen

Beobachte dich. Sei dir deines Denkens, Redens, Fühlens und Handelns bewusst. Lerne autodidaktisch daraus. Entwickle „Selbst-Bewusstheit“ für deine Fähigkeiten, in der Familie führen zu können. Und entwickle daraus (im Wortsinn „ent-wirren“) die Kompetenz, in deinem Unternehmen erfolgreich zu führen.

Veröffentlicht in: Unternehmer.de ( https://www.unternehmer.de/wp-content/magazine/2017/01_praesentieren_2017.pdf )