„Meine Einstellung prüfen“

Am Nachmittag erzählt Lisa ihrer Mutter:
„Mama, wir haben heute in der Schule über Vorurteile gesprochen. Über so Sätze wie Die ist doof!, ´Das können Mädchen nicht!, ´Jungs machen immer …!, ´Männer denken …!. Frau Kohl sagte, dass wir uns nicht sofort ein Urteil über Menschen, die wir gerade erst kennengelernt haben, fällen sollen. Sie meinte, dass wir erst einmal prüfen sollen, was so unsere ersten Gedanken zu diesen Menschen sind. Ob wir negativ denken, ´in Schubladen und so. Das klang alles so kompliziert. Kannst du mir das nochmal erklären. Und überhaupt: Wie machst du das denn. Auch als Chefin und so?“

Die Mutter überlegt: „Es geht Frau Kohl bei eurem Thema wohl um unsere Einstellung Menschen gegenüber, über unsere Vorstellung von Menschen. Hm.
Also ich erwische mich insbesondere bei Vorstellungsgesprächen immer wieder, dass ich potentielle neue Mitarbeiter, also welche, die ich eventuell einstellen möchte, schnell ´in eine Schubladestecke. So nach dem Motto: ´Der trägt rote Schuhe, also ist der …!, ´Der hat lange Haare, also macht der …!“ Das ist mir dann nach dem Gespräch immer peinlich.
Ich weiß ja, dass Vor-Urteile haben, bedeutet, jemanden gleichsam vor zu verurteilen. Das ist falsch und vor allen Dingen ganz schlecht, wenn ich in der Firma ein Arbeitsverhältnis oder auch privat eine Beziehung zu diesem Menschen aufbauen möchte.

Ich kenne eine Geschichte, die das – so finde ich – ganz toll erzählt und mit geschickten Worten erklärt. Die Geschichte heißt: ´DER TELLER SUPPE`.
Magst du sie hören? Vielleicht ist dir dann klar, wofür euch Frau Kohl sensibilisieren möchte.“

Lisa antwortet: „Super, erzähl! Geschichten sind immer toll. Wie bei Fabeln. Hören – Nachdenken – Verstehen!“ Die Mutter beginnt:

„Eine ältere Frau kaufte sich in einem Schnellrestaurant einen Teller Suppe.
Behutsam trug sie die dampfende Köstlichkeit an einen Stehtisch und hängte ihre Handtasche darunter.
Dann ging sie noch einmal an die Theke: Sie hatte den Löffel vergessen.
Als sie zum Tisch zurückkehrte, stand dort tatsächlich einer jener Afrikaner – schwarz, Kraushaar, bunt wie ein Paradiesvogel – und löffelte die Suppe.
Zuerst schaute die Frau ganz verdutzt; dann jedoch besann sie sich, lächelte ihn an und begann, ihren Löffel zu dem seinen in den Teller zu tauchen. Sie aßen gemeinsam.
Nach der Mahlzeit – unterhalten konnten sie sich kaum – spendierte der junge Mann ihr noch einen Kaffee. Er verabschiedete sich höflich.
Als die Frau gehen wollte und unter den Tisch zur Handtasche greifen wollte, fand sie nichts – alles weg. ´Also doch ein gemeiner, hinterhältiger Spitzbube! Ich hätte es mir doch gleich denken können – Gemeinheit!`
Enttäuscht, mit rotem Gesicht schaute sie sich um. Er war spurlos verschwunden. Aber am Nachbartisch erblickte sie einen Teller Suppe … inzwischen kalt geworden.
Darunter hing ihre Handtasche…“

„Oje … Mama, ich glaub, ich hab das nun kapiert!“