Das unterschätzte Potential im Unternehmen? Teil 7

Umgang mit Wut

Beim Abendessen lässt die Familie ihren Tag Revue passieren.
Philipp schüttelt gedankenversunken den Kopf und berichtet: „Peter, der Junge aus der 7. Klasse, von dem ich euch schon öfters erzählt hab, hat heut wieder so n Anfall gekriegt.“ „Anfall? Ist der krank?“ fragt seine Schwester.
„Nee, das iss so n Wutkegel. Der flippt bei jeder Gelegenheit aus.“ „Wie bitte?“, hakt seine Schwester nach. „Wie sieht denn so n Anfall aus?“
„Irgendwie immer gleich. Der streitet sich aus irgendeinem Grund mit jemandem. Dann regt er sich tierisch auf und brüllt rum.“
Die Mutter fragt: „Und wie reagiert der andere Junge? Wie reagiert ihr? Und was macht der Lehrer, der Pausenaufsicht hat?“
„Hm, verschieden. Wir haben noch keine echte Lösung gefunden. Heute hat er sich mit Paul gestritten. Der hat ihm nen Vogel gezeigt und ist weggegangen. Fand ich cool. Peter war total verdutzt, dass seine Wut so ins Leere gelaufen ist.“
Die Schwester wendet sich an ihre Mutter: „Mama, was macht man denn, wenn jemand so wütend ist – und das auch noch regelmäßig?“
Die Mutter überlegt und antwortet: „Hm, als ihr beiden klein ward, habt ihr in der Trotzphase öfter mal einen Wutausbruch bekommen. Ihr wolltet etwas haben oder durchsetzen, was ich nicht erlaubt habe. Meistens bin ich stringent beim ´Nein` geblieben. Das ging dann auch immer schnell vorüber.“

„Überlegter musste ich über etliche Jahre im Unternehmen handeln, weil einer unserer Verkaufsleiter cholerische Wutausbrüchen hatte.“
„Ups, was haste gemacht?“ fragt Philipp.
„Wenn ich direkt miterlebte, dass Herr XY cholerisch wurde, habe ich versucht, selbst gelassen zu bleiben. Ich habe ihm ermöglicht, quasi erst einmal seine Wut abzulassen. Er bekam seine Anfälle meistens im Büro, so dass kein Kunde oder Lieferant das mitbekam. Die anderen Mitarbeiter waren diese Situationen leider gewohnt und reagierten immer ähnlich wie ich. Ich habe nie versucht, Herrn XY „eines Besseren zu belehren“ oder ihm zu erklären, dass der Grund, worüber er sich aufregte, ein echt harmloser sei. Formulierungen wie ´Das ist doch halb so schlimm.oder ´Da gibt es doch keinen Grund sich aufzuregen. waren tabu. Das hätte Herrn XY noch mehr zur Weißglut gebracht. Meiner Erfahrung nach war er innerhalb weniger Sekunden ´von Null auf 100, jedoch auch genauso schnell ´wieder auf 0. Auf längere Sicht war Herr XY jedoch für unser Unternehmen nicht tragbar. Das Arbeitsklima hat zu sehr gelitten. Obwohl wir uns immer wieder über dieses Thema mit ihm unterhalten haben, war er nicht bereit, an seiner Neigung zu arbeiten. Wir mussten uns von ihm trennen.“

Fazit:

Der Umgang mit wütenden, oder sogar cholerischen Mitarbeitern ist schwierig und belastet jede Beziehung im Unternehmen.
Es ist hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Choleriker sich selbst oft gar nicht bewusst ist, was er mit seiner Verhaltensweise alles „zerstört.“
Es macht Sinn, den Choleriker in ruhigen Gesprächen für das Bewusstsein seiner destruktiven, respektlosen Verhaltensweise zu sensibilisieren.
Oft hat er keine adäquate Möglichkeit, sich in der jeweiligen Situation zu helfen. Somit wird er wütend und „rastet aus“. Der Choleriker steht sich gleichsam ´selbst im Weg`.
Ist er nicht bereit, an seiner Verhaltensweise zu arbeiten, sollte man sich – wenn möglich – von ihm trennen.

Veröffentlicht in: The Huffington Post